Als gelernte Literaturwissenschaftlerin und begeisterte Leseratte bin ich ja immer wieder auf der Suche nach Möglichkeiten und Wegen, Literatur und vor allem Poesie in den Unterricht zu bringen. Ich meine damit keine verstaubten Gedichte, die analysiert werden sollen, wenngleich ich auch diese analytischen Betrachtungen auf Metaebene sehr wichtig finde.
Sie ist aber nicht unbedingt lustig, wenngleich das vielleicht nicht richtige Adjektiv ist. Aber wie G. Hüther gerade wieder betont hat, ist die Freude am Lernen zentral. Und ein lustiger Einstieg in das Thema Literatur und Sprache kann dabei nicht schaden. Es geht mir vor allem darum, ein Gefühl für Sprachspiele zu bekommen. Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, dass ich Twitter und die Twitterpoesie, die aufgrund der beschränkten Zeichenanzahl von maximal 140 Zeichen in Form von Aphorismen verbreitet werden, sehr inspirierend finde.
Ich habe hier drei Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen:
„Warum verziehst du das Gesicht?“
— Regieklappe (@regieklappe) January 14, 2017
„Nerven. Zweite Person Singular.“
Ein Sprachspiel gefolgt von einem nachdenklichen Tweet:
Geduld ist das Vertrauen, dass alles kommt, wenn die Zeit reif ist. #vertrauen
— Ines Bieler (@seni_bl) January 20, 2017
Ein sozialkritischer Tweet:
Es gibt mindestens 1933 Gründe, die AfD abzulehnen.
— Nᴇᴛᴢʟᴇʜʀᴇʀ (@blume_bob) June 27, 2016
Als zweite Möglichkeit sehe ich hier den Poetry Slam und die Anregungen, die diese neue Kunstform, vielleicht sogar literarische Gattung, für uns bereit hält. Unterrichtsmaterialien zum Rap im Unterricht gibt es ja schon länger, auch hier wird mit Sprache gespielt, werden eigene Gedanken und Ideen in Texte verpackt.
Und auch zum Poetry Slam gibt es schon einiges an Unterrichtsideen. Einige möchte ich anführen:
Wir erinnern uns wahrscheinlich gut an Julia Engelmanns „Eines Tages… Baby… werden wir alt sein“, das in sozialen Netzwerken viral ging und wahrscheinlich viele zum Poetry Slam anregen konnte.
Eine junge Frau, die ihre innersten Gedanken nach außen trägt und eine Generation analysiert. Ein sehr schönes Beispiel, das sich so auch leicht in den Sprachunterricht transferieren lässt. Oder auch in den Philosophie-Unterricht: Wie wäre es, die Gedanken Ovids oder Senecas vielleicht auch jene von Aristoteles über einen vergleichbaren Text zum Ausdruck zu bringen? Man könnte auch einfach die angesprochene Textzeile übernehmen, die klassische poetische Struktur der Anapher berücksichtigen und ein Gedicht bauen, in dem jede Zeile mit den gleichen Worten beginnt.
Ein zweites Beispiel, das mir sehr gut gefällt, ist Zeit für Lyrik von Sebastian 23. Der aufsteigende Poetry Slammer und Comedian arbeitet hier mit Vergleichen, spielt mit Humor, ist aber auch tiefsinnig und erlaubt eine spannende Beschäftigung mit Sprache, die weder schwierig noch anspruchsvoll sein muss, aber kann.
Viel kürzer ein Gedicht über Wien, ein Zweizeiler, nicht ganz ernst gemeint (oder vielleicht doch?!) aber ebenso eine Anregung für den Unterricht (man beachte die wunderbare Alliteration):
Lernen und das Umgehen mit Sprache sollen Spaß machen, die Texte können zum Nachdenken anregen, oder aber auch nur unterhalten. Oder beides – ein Spagat den Torsten Sträter schon seit längerem geht. Vielleicht für Kinder nicht ganz geeignet, aber dennoch ein spannender Text, der sich vom Muster her gut in den Unterricht einbringen lässt: Nur 10 Regeln.
Ich oute mich dabei als großer Fan von Torsten Sträter, dessen immer so angenehm unaufgeregt vorgetragen werden, lustig anmuten und dennoch eine tiefe Wahrheit in sich tragen. Zumindest sehe ich das so.