Es ist wieder in, auf Deutsch zu singen. Dabei sollten auch die Klassiker nicht vergessen werden, ihre Texte sind es wert.
Eine DaF-lehrende Kollegin hat mich vor einiger Zeit schon gebeten, was zu deutscher bzw. österreichischer Musik zu schreiben. Ich bin nun keine DaF/DaZ- oder Deutschlehrerin und habe mir lange überlegt, wie ich die Sache angehen will. Meine Ressourcensammlung für den Unterricht ist in diesem Bereich enden wollend und bezieht sich eher auf meine persönlichen Vorlieben. Seit kurzem habe ich nun Spotify und lasse mir hier immer wieder Mixtapes zusammenstellen. So werden mir aufgrund meiner Hörvorlieben Lieder in die Playlist gespielt. Der Algorithmus dahinter ist recht gut und ich staune immer wieder, was da so ausgegraben wird. Von Stoak wie a Fösn von Stefanie Werger bis Dialekt’s mi von Pizzera & Jaus und von Schrei nach Liebe von Die Ärzte bis Tage wie diese von Die Toten Hosen ist da alles Mögliche dabei.
Als Lehrerin höre ich natürlich auch immer mit einem Ohr mit, was ich für den Unterricht verwerten kann und das ist zurzeit wohl wenig, denn meine Playlists bestehen vor allem aus deutschsprachigen Liedern. Einiges davon lässt sich sicherlich im DaF/DaZ-Unterricht einsetzen. Ich denke hier vor allem an Songs aus Deutschland, beispielsweise von Revolverheld, Ich + Ich, Unheilig, Rosenstolz, Die Toten Hosen, Die Ärzte, Adil Tawil, Sportfreunde Stiller, Silbermond und und und. Die Liste lässt sich individuell ergänzen. Die Texte sind vielfach beinahe poetisch und treffen den Zahn der Zeit: Rosenstolz besingen in Ich bin ich (Wir sind wir) das füreinander Eintreten und ganz aktuell bricht Sarah Connor mit Vincent eine Lanze für das Anderssein und die Suche nach dem eigenen Ich. Die eigene Schwäche und das Spiel aus Sein und Schein, das wir in unseren Alltag integrieren, wird von Ich + Ich in Stark aufgegriffen. All diese aktuellen Lieder finden sich problemlos auch auf Lyricstraining und lassen sich somit, so denke ich, durch den spielerischen Aspekt gut in den Unterricht integrieren.
Lang lebe nicht nur der Zentralfriedhof….
… sondern auch der Austropop. Auch in Österreich ist die Musikszene wieder aufgewacht und der Austropop lebt wieder, wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob sich die aktuelle Generation auch als Vertreter*innen des Austropops sehen. Die Einteilung wirkt, wenn man sich beispielsweise die auf Wikipedia angefügte Liste betrachtet, sehr willkürlich und DJ Ötzi würde ich beispielsweise nicht als Austropop bezeichnen… Aber anscheinend wird diese Bezeichnung mittlerweile eher für Musik aus Österreich verwendet als für eine bestimmte Stilrichtung (siehe hier auch die Anmerkung im Beitrag zu Christina Stürmer auf Wikipedia).
Wenn man an Musik aus Österreich denkt, kommt vielen aktuell sicher Andreas Gabalier oder auch die Musik der Après-Ski-Party in den Sinn. Die meine ich aber nicht. Ich meine Lieder fernab bloßer Unterhaltung, Lieder, die eine tiefe Botschaft transportieren, kritisch sind, wie jene von Georg Danzer, oder auch der frühen Christina Stürmer. Sozialkritik wie das aktuelle Lied Burn out von Reinhard Fendrich. Die Botschaften sind vielfach die gleichen: Irgendwann bleib i dann dort von STS besingt ebenfalls die Auswirkungen der Arbeitslast auf den Menschen. Ina Regen thematisiert in Wie a Kind das Zu-Sich-Selbst-Stehen. Wie man mit einer vergangenen Liebe umgehen kann, zeigen Edmund (Büdl an da Wond), Seiler und Speer (Ala bin), Tagtraeumer (Sinn) oder Pizzera & Jaus (Tuansackl bzw. Danke, gut!). Das sind Lieder, die auch die Jugend von heute hört und die sich.
Die Texte haben, auch wenn man die Musik außen vor lässt, etwas Lyrisches, wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt. Metrik und Topoi lassen sich in diesen Liedern ebenso finden wie die gängigen formalen und rhetorischer Figuren und Tropen (Alliterationen, Personifizierungen, Metaphern, Pars pro toto, Euphemismus, Klimax usw.). Die semantische Dichte ist nicht zu unterschätzen (Gnackwatschn – Die Wöt wird si weiterdrahn), die Wortspiele herausfordernd, wie unzählige Poetry-Slam-Beispiele verdeutlichen (Poetry Slam TV oder Bachelor von Paul Pizzera). Einige davon eignen sich sicherlich für eine moderne Version der Gedichtanalyse, die ob ihrer analytischen Herangehensweise eine hohe Wichtigkeit im Lernprozess haben sollte. Es gibt zahlreiche Beiträge zur Literaturdidaktik [1], die uns diesen Weg vorschlagen und Beispiele bringen). Bei vielen Liedern hören wir nicht so gut hin, wie wir vielleicht sollten. Musik ist eine universelle Sprache, die Rhythmen reißen uns mit, aber auch die Texte haben es in sich. Sie erzählen eine Geschichte.
Wussten Sie zum Beispiel, warum Reinhard Fendrich I am from Austria geschrieben hat? Oder haben Sie sich schon mal überlegt, wie Brenna tuats guat von Hubert von Goisern in unsere heutige Zeit passt? Haben wir schon überlegt, was für uns das Zuhause sein bedeutet? Die Seer haben es für sich in Des olls is Hoamat versucht, zu beschreiben. Diese Stücke finden sich nicht auf Lyricstraining, was sicherlich auch an der Herausforderung liegt, die dialektal gefärbten Texte zu transkribieren. Dass es funktioniert, zeigen jedoch die Mundart-Ausgaben von Asterix & Obelix.
Die Herausforderung
Sprachlich sind viele der Lieder sicherlich eine Herausforderung, weil die österreichische oder steirische Varietät nicht so einfach ist. Ich bin schon in Programmen von Paul Pizzera in Österreich gesessen, wo ich eine der wenigen war, die über einzelne Pointen gelacht hat, was an meinem Humor oder dem Sprachverständnis liegen kann. Ich finde es aber wichtig, gerade auch diese Lieder zu thematisieren (in der L2 sind wir auch angehalten, verschiedene Varietäten einzubringen) und den Blick in die Vergangenheit zu wagen. Stefanie Werger, die EAV, Georg Danzer, Marianne Mendt sollten ebenso Thema bleiben wie die alten Stücke von STS – Kalt und Kälter scheint mir mehr denn je an Aktualität zu besitzen. Vielleicht finden sich ein paar Motivierte und pflegen auch „alte Hadern“, wie sie liebevoll genannt werden, in Lyricstraining ein. Viele Lieder hätten es sich verdient und vielleicht stellt auch der eine oder die andere Unterrichtsideen dazu vor. Ich werde versuchen, meinen Teil dazu beizutragen.
[1]
- Keiper, Hugo (2007), „It’s Easy (?): Literaturdidaktische Reflexionen zur Poplyrik am Beispiel von John Lennons ‚All You Need Is Love‘„, in: AAA. Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik, 32 (2), 165-196.
- Lenk, Hartmut E. H. (2010), „Phraseologismen im Austro-, Deutsch- und Ostrock Exemplarische Analysen zur deutschsprachigen Rocklyrik der 80er Jahre„, in: Jarno Korhonen; Wolfgang Mieder; Elisabeth Piirainen & Rosa Piñel, Rosa (Hg.): EUROPHRAS 2008 Beiträge zur internationalen Phraseologiekonferenz vom 13.–16.8.2008 in Helsinki. Helsinki, Universität Helsinki, 226-236
- Lütge, Christiane (Hg.) (2019), Grundthemen der Literaturwissenschaft. Literaturdidaktik, Berlin/Boston: De Grruyter.
- Martínez Casas, María (2017), „Musiktexte im Fremdsprachenunterricht: eine korpuslinguistische Diskursanalyse von Pop-Rock-Songtexten auf Spanisch„, in: Augustín Corti & Johanna Wolf (Hg.): Romanistische Fachdidaktik. Grundlagen – Theorien – Methoden, Münster, New York: Waxmann, 173-185.