Kreativ trotz Corona: lernendeaktivierende Methoden in Zeiten von Corona

Ein Beitrag zu meinem Vortrag im Zuge der Online-Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Sprachendidaktik (ÖGSD): Sprachendidaktik in Corona-Zeiten – Digitale Innovation oder Kreidezeit 4.0? am 3. Dezember im virtuellen Raum.

Im Zuge der Online-Tagung der ÖGSD wurde ich angefragt, einen Beitrag zu digitalen Medien und dazu passenden Methoden zu gestalten. Hier mein Foliensatz.

Ich habe mich für Studierendenaktivierung im Sprachunterricht entschieden. Wir haben gerade im Frühjahr 2020 am eigenen Körper gespürt, dass der Unterricht und die Lehre über Videokonferenzen sehr ermüdend ist. Zoom Fatigue als Stichwort.

Cognitive Load als Herausforderung

Eine der Problembereiche im Home Office oder Home Schooling und Home Teaching ist dabei sicherlich die fehlende geographische Trennung von Arbeits- und Lebensort. Wir können den Lebensort nicht verlassen, um in einen geschützten Lehr-/Lernraum zu gehen. Wir lernen im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, im Büro. Wir lernen in Räumen, in denen das Internet möglichst stabil funktioniert oder in denen wir möglichst wenig gestört werden. Und dennoch: Die Pflanze will gegossen werden, die Katze gestreichelt. Die Hund möchte Gassi, der/die Partner*in sucht die linke Socke, die Kinder verstehen die Angabe der Lehrperson nicht, der Geschirrspüler will eingeräumt, die Waschmaschine ausgeräumt werden. Der Kühlschrank ist so nah, der Hunger groß. An der Tür wartet die Post.

Kurz und knapp: Wir sind kognitiv gut ausgelastet, wenn nicht überlastet. Unser Arbeitsspeicher wird, wie jener bei unserem Computer, wenn im Browser gefühlt 1000 Tabs offen sind, immer ausgelasteter und langsamer. Das behindert unseren Lernprozess, aber auch den Lehrprozess:

Josef Buchner hat hier im Zusammenhang mit multimedialem Lernen und instruktionspsychologischen Grundlagen auseinandergesetzt. Da wir uns an die aktuellen Settings auch noch nicht gewöhnt haben, ist auch das Setting sehr belastend. Wir können jene Methoden, die sich bewährt haben, nicht eins-zu-eins umsetzen. Wir müssen umplanen und haben gleichzeitig das Gefühl, nicht ausreichend zu tun – siehe hierzu einen Blogpost zur Beziehungspflege:

Und wir berücksichtigen noch nicht alle Rahmenbedingungen, die man berücksichtigen sollte – siehe hierzu einen Blogpost über die Schwäche und den Digital Divide:

Neue Methoden sind gefragt, die alle Kompetenzen berücksichtigen (nach Möglichkeit). Hie und da muss man vielleicht auch die Lernplattform um das eine oder andere digitale Tool ergänzen, um methodisch abwechslungsreich zu agieren.

Eine Faustregel

Für meine Lehre habe ich die Cognitive Load Theory ganz stark verkürzt und für mich eine Faustregel abgeleitet: Bekannter Inhalt – neues Tool/neue Methode. Neuer Inhalt – bekanntes Tool/bekannte Methode. Eine gleichzeitige Konzentration auf einen neuen Inhalt und ein neues Tool bzw. eine neue Methode erscheint schwierig.

Wie ich meine Studierenden aktiviere

Für die Tagung habe ich nun ein paar Schlagworte und Rahmen zusammengefasst, die sich im Sprachunterricht gut umsetzen lassen und dabei unterschiedliche Kompetenzen trainieren, abwechslungsreich und doch niederschwellig sind. Sie sollten auch und vor allem mit dem Smartphone umsetzbar sein, ein Drucker sollte nicht dafür notwendig sein.

Quelle: Pixabay

Die Tools sind in einer kostenlosen Version verfügbar, haben jedoch vielfach eine Anmeldung durch die Lehrperson als Voraussetzung, da die erstellten Settings und Übungen abgespeichert werden müssen/sollen.

Gemeinsam statt einsam

In Lernplattformen wie Moodle sind Aufgaben oftmals Einzelarbeiten. Die Lerner*innen bekommen einen Arbeitsauftrag und bearbeiten diesen dann in Einzelarbeit. Will man gemeinsam einen Text schreiben, eignen sich hierfür synchrone Pads, die das Schreiben in Echtzeit erlauben:

Der Vorteil liegt hier darin, dass die Mitarbeit kollaborativ ist, also alle gemeinsam schreiben und nicht nacheinander. Da sich die Lerner*innen nicht anmelden müssen, weiß man ohne Workaround nicht, wer was geschrieben hat. Eine eigene Schriftart oder Schriftfarbe pro Person kann hier Abhilfe schaffen. Die Anonymität erlaubt aber auch, offenes Feedback zu sammeln oder auch kurze Statements zu einem Thema.

Mündlich statt schriftlich

Viele Arbeitsaufträge in Lernplattformen sind schriftlich. Gerade im Sprachunterricht spielen jedoch die mündliche Kompetenz und auch die Aussprache eine wichtige Rolle. Sprache kann in OneNote aufgenommen werden. Sprache kann auch mit Vocaroo aufgenommen werden, oder in einem Padlet. So können Lerner*innen kurze Statements mündlich einsprechen, Feedback geben und von den Lehrpersonen auch mündliches Feedback erhalten. Wie ist es, einen Text zu lesen – aber in unterschiedlichen Rollen: als Priester*in von der Kanzel, als Fußballtrainer*in, als Roboter*innen, als Kleinkind… Vielleicht auch in unterschiedlichen Emotionen. Will man auch ein Video dazu haben, nicht nur die Stimme, lässt sich Flipgrid dafür einsetzen.

Sammeln statt Horten

Wenn man Materialien für den Unterricht sammelt, egal ob mit den Studierenden, im Kollegium oder alleine, dann ist es wichtig, den Überblick nicht zu verlieren. Linklisten sind hier semi-optimal, da man zu einem späteren Zeitpunkt nicht immer sofort weiß, warum man einen Link abgelegt hat. Tools wie Wakelet und Padlet schaffen hier Abhilfe, da man sowohl lokale Materialien (Dokumente z.B.) als auch Webseiten (und somit Videos, Links, Bilder) (gemeinsam) sammeln und kommentieren kann. Gerade im Padlet sind auch Kommentare und Reaktionen (Thumbs Up, Herzen, Sterne z.B.) möglich. Ein kleines Moment von Gamification ist möglich.

Das Sammeln von Begriffen ist auch über eine Word Cloud, eine Wortwolke, möglich. Als Beispiele seien Answergarden oder Wortwolken genannt. Hier werden Begriffe gesammelt und nach ihrer Häufigkeit sortiert. Je öfter ein Begriff genannt wird, desto größer erscheint er in der Word Cloud. So lassen sich zum Beispiele in einem Text semantische Felder visualisieren, die anschließend diskutiert werden können.

System statt Chaos

Wenn wir Begriffe gesammelt haben, dann können wir diese auch clustern, um zum Beispiel einen Text zu schreiben. Dies geht beispielsweise in einer Mindmap: LearningApps und auch Coggle bieten uns hier digitale Möglichkeiten. Dies ist auch kollaborativ im Team möglich.

Kreatives einflechten

Digitale Tools bieten uns die Möglichkeit, kreative Artefakte im Unterricht zu schaffen: für die Lerner*innen und die Lehrer*innen. Sie können mit MakeBeliefsComix einen Comic erstellen, der als Sprech- oder Schreibanlass dient. Sie können mit Emojis (z.B. über die Emojipedia) einen Text zusammenfassen, den sie im Buch gelesen haben, oder einen Song sprachlich erarbeiten, indem sie einzelne Wörter ersetzen. DeepMoji erlaubt dieses Ersetzen auch auf Basis von Artificial Intelligence.

Durch den Einsatz einer Augmented oder Virtual Reality lassen sich Rundgänge in unterschiedlichen Ländern realisieren. Eine Wegbeschreibung mit Google Street View ist ebenso möglich wie ein virtueller Rundgang im Louvre (eine Sammlung findet sich unter Virtuelle Reisen auf LernenDigital.)

Wie wäre es, Fake News in einem authentischen Format zu schreiben? Break Your Own News gibt die Möglichkeit, eine Nachricht in einer Nachrichtensendung zu generieren. Ein Zeitungsartikel gelingt mit Paul Newsman.

Lyrisches einbauen

Im Sprachunterricht arbeite wir gerne mit Liedern. Lyricstraining ist eine Möglichkeit, Lieder zu hören, Karaoke zu singen oder auch Lückentexte zu integrieren. Ist man nicht angemeldet, erstellt das Programm die Lücken per Zufall. Ist man angemeldet, kann man die Lücken selbst erzeugen (und dabei spezifische Bereiche von Wortschatz, Grammatik und Landes-/Kulturkunde trainieren).

Wettkampf integrieren

Um sich nicht alleine zu fühlen, lassen sich auch kleine Überprüfungen, in denen sich die Lerner*innen spielerisch aneinander messen, einflechten. Quizlet live und Quizizz haben hier Angebote entwickelt. Hier können die Lerner*innen gemeinsam oder im Team gegeneinander antreten. Das Spielerische und der Wettkampf (durch Gamification-Elemente integriert) steigern die Motivation. Wenn die hier gestellten Fragen und Antworten gemeinsam besprochen werden, Antworten argumentiert werden, lässt sich auch nachhaltig daraus lernen.

Projekt eRom

Viele der hier genannten Tools und Szenarien lassen sich auch Präsenzunterricht einbauen. Hierzu gibt es am Österreichischen-Sprachen-Kompetenz-Zentrum das Projekt eRom: Es bietet elf digitale Tools in einer digitalen Werkzeugkiste und zu jedem Werkzeug jeweils einen Unterrichtsbaustein für Italienisch, Französisch und Spanisch.

Ein Gedanke zu „Kreativ trotz Corona: lernendeaktivierende Methoden in Zeiten von Corona

  • Dezember 3, 2020 um 5:02 pm Uhr
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    Wow, vielen herzlichen Dank für diese sinnvolle Zusammenstellung! Es ist so toll, dass Sie sich die Zeit genommen haben, das alles zu erstellen! Ich bin angehende Lehrerin und unglaublich dankbar für diese tolle Zusammenstellung! Vielen herzlichen Dank!

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