Meine große Liebe: Klebezettel (digital und analog)

Wer kennt sie nicht, die bunten Klebezettel, die Ideen sammeln, an Termine erinnern und das Leben einer Lehrperson bunt machen.

Ich gestehe, ich klebe sie überall hin: Klebezettel. Sie kleben am Computer, sie kleben auf Hausübungen, am Schreibtisch, in meinem Kalender, am Spiegel. Sie sind Fluch und Segen zugleich, denn so richtig übersichtlich sind sie meistens nicht. Ich brauche dann auch immer wieder meine Zeit, die verteilt geklebten Klebezettel zu sortieren und in ToDo-Listen zu übertragen, denn ich liebe diese Listen. Da kann man so schön abhaken, was man schon erledigt hat und fühlt sich schon alleine deshalb produktiv. Ich zelebriere das Schreiben meiner Listen ein wenig. Meine Handschrift ist nicht die schönste und wenn ich schnell meine Gedanken loswerden will, dann achte ich nicht auf die Handschrift. Meine ToDo-Listen müssen aber schön sein… Ein kleines Dilemma, das ich mit Klebezetteln löse.

Quelle: Pixabay

Hier ein paar Gedanken zum Thema  aus meiner Praxis und meinem Leben.

1. Stoff-Walk

In meinem Studium habe ich Klebezettel an unterschiedlichen Orten in der damaligen Wohnung angeklebt, um mir schwierige Inhalte für Prüfungen immer wieder sozusagen im Vorbeigehen zu visualisieren. Unabsichtliches Lernen quasi – gerade bei schwierigen und komplexen Themen war das für mich sehr hilfreich und praktisch.

2. Vokabel-Spicker

Ähnliches habe ich in der Schulzeit auch mit Vokabeln gemacht, die ich an die jeweiligen Orte geklebt habe. Da ist es schon mal passiert, dass am Spiegel, am Blumentopf oder auf der Klopapierrolle ein Klebezettel mit dem französischen Wort hing. Ob das meiner Familie damals so recht war, weiß ich nicht, aber mir hat’s geholfen.

3. Wer bin ich?

Das beliebte Spiel Wer bin ich? Lässt sich einfach mit Klebezetteln auch spontan in den Unterricht integrieren. Den Namen der Person auf den Zettel geschrieben, gegenseitig auf die Stirn kleben und das Raten kann beginnen. Das Spiel lässt sich auch mit Was bin ich? oder Wo bin ich? spielen. Jedenfalls geht’s um das Formulieren von Fragen und den Spaß an der Sache. Je ausgefallener, desto besser.

4. Abfragen in Videokonferenzen

In Videokonferenzen sind Abfragen mit Handzeichen eine Möglichkeit, externe Tools sind eine andere Möglichkeit. Ich nutze für Stimmungsbilder oder auch für Kennenlernrunden ganz gerne bunte Klebezettel. Jede*r hat einen Klebezettel und klebt die Kamera damit zu. Ich verlese eine Aussage, wie zum Beispiel: „Ich trinke lieber Tee als Kaffee.“ All jene, auf die diese Aussage zutrifft, nehmen den Klebezettel weg. Durch die bunten Klebezettel scheint immer ein wenig Licht durch, so sind die Bildschirme ein wenig bunt eingefärbt.  

5. Textorganisation

Wenn ich längere, elaborierte Texte verfassen möchte, dann habe ich mir aus der Schulzeit schon angewöhnt, meine Gedanken und Ideen immer sofort aufzuschreiben. Sie belasten mich sonst beim Schreiben. Ich denke dran, was ich noch alles schreiben will, was ich bedenken muss… Das bremst mich. Beim Schreibprozess habe ich deshalb auch immer Klebezettel neben mir liegen, auf die ich neue Gedanken oder alternative Ansätze schreibe. In einer Schreibpause lese ich sie mir durch und ordne sie einzelnen Kapiteln zu oder sammle sie für spätere Artikel oder Beiträge. Manchmal zeichne ich nachträglich eine Mindmap zu den einzelnen Kapiteln. Das hilft mir, meine Gedanken zu sortieren und nicht das Gefühl zu haben, etwas zu vergessen.

6. Lesezeichen statt Eselsohren

Wenn ich lese, dann mache ich mir gerne Notizen. Manchmal ins Buch direkt (mit Bleistift versteht sich – auch wenn das für viele ein NoGo ist, ich mach’s in meinen Büchern dennoch) oder manchmal auf Klebezettel. Klebezettel nutze ich zudem auch als Lesezeichen, lasse sie ein wenig herausstehen und sehe dann sofort, welche Passagen in einem Buch relevant waren. Diese kann ich dann nachträglich in ein Literaturverwaltungsprogramm, bei mir Citavi, übertragen.

7. Feedback

Bekomme ich studentische Arbeiten ausgedruckt, dann schreibe ich Feedback auch gerne mal auf Klebezettel und klebe sie auf die Arbeiten. Es ist zwar mittlerweile sehr selten, weil ich primär digital arbeite, aber ich schreibe nicht so gerne direkt in Arbeiten. Wenn ich mich verschreibe, dann muss ich korrigieren und wenn ich mich verzeichne, dann ebenfalls. Das verträgt mein innerer Monk leider nicht so gut. Zudem kann der Klebezettel noch graphisch gestaltet und aufgehübscht werden.

Eine Seite mit zahlreichen Ideen und Anregungen zur Personalisierung von Klebezetteln findet sich bei Print Costum Sticky Notes with Google Slides. Achtung, hier braucht man ein wenig Zeit, um die Ideen alle aufnehmen zu können. Sie sind teilweise fachspezifisch, teilweise fachübergreifend, aber jedenfalls nachahmenswert. Digitale Klebezettel für den Herbst gibt es auch bei Frau Locke zum Herunterladen.

8. Ideensammlung

In der Unterrichtsstunde schnell mal Ideen sammeln? Klebezettel ausgeteilt, Ideen notieren lassen und an der Tafel oder am Flipchart – auf einer größeren zu beklebenden Fläche eben – gesammelt. Durch die Klebefunktion lassen sich die Klebezettel anschließend auch wie in einem Mindmap sortieren. Der Vorteil von Klebezetteln ist, dass die Lernenden sich bewegen: Sie kommen an die Tafel, sie erklären, was auf den Zetteln steht. Der Nachteil: Die Dokumentation ist durch die Handschrift und das analoge Setting etwas schwieriger. Hierfür eignen sich digitale Klebezettel gut.

Ich nutze dabei sehr gerne Lino, weil Lino tatsächlich das Look and Feel von Klebezetteln vermittelt. Die Anwendung ist kostenfrei und braucht lediglich für die Lehrperson eine Anmeldung. Natürlich lassen sich auch Miro, Conceptboard oder auch Padlet hierfür einsetzen – die Farben der Klebezettel können frei gewählt werden und somit auch bereits eine Übersicht erzeugt werden. Außerdem gibt es zahlreiche eigene Post-it-Apps für das Smartphone zum Beispiel.

9. Gallery Critique

Klebezettel lassen sich auch zum Feedbackgeben einsetzen. Andreas Kaplan nennt dies Gallery Critique: Die Lernenden befeedbacken Artefakte ihrer Kolleg*innen anhand von Feedbackzetteln, die sie neben die Artefakte platzieren. Das kann bei Postern an der Wand sein, bei Zeichnungen, Mindmaps oder Schreibprodukten kann das auch der Tisch sein.

10. Post-it-Methode

Diese Methode kommt aus dem Bereich Wirtschaft und ist eine besondere Art des Brainstormings, bei dem Post-its in verschiedenen Farben verschiedene Funktionen übernehmen (können). Die Methode wird hier näher beschrieben: Nur vier Schritte zum Erfolg dank Post-it-Methode und kann bei argumentativen Texten oder als Vorbereitung einer Diskussion eingesetzt werden.

11. Comic oder Storyboard zeichnen

Wenn Lernende Geschichten entwickeln, z.B. Comics oder Storyboards, können Klebezettel hilfreich sein, da die Anordnung immer wieder verändert werden kann. Die einzelnen Teile oder Abschnitte werden gezeichnet und anschließend variiert, neu geordnet oder auch ergänzt. Viele weitere Ideen auch noch hier unter 5 ways post-it notes can facilitate teaching & learning.

11. Petite récits

Kurzgeschichten schnell verfassen auf wenig Platz – hier findet man die Idee der Petite récits inkl. weiterer Ideen fürKlebezettel im Unterricht.

12. Die flexible Kanban

Klebezettel lassen sich auch als To-Do-Liste oder eben als Kanban organisieren. Hier findet man eine Beschreibung. Was hat man zu tun? Was tut man gerade? Was ist bereits getan? So sieht man seinen Fortschritt und verliert nicht die Motivation, weil man das Gefühl hat, nichts gehe weiter…

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13. Liederarbeit

Ich bin kein Fan von Lückentexten, wenn es um Lieder geht. Manchmal drucke ich Liedzeilen oder Abschnitte aus Lieder deshalb auf Post-its und lasse diese vorab in die richtige Reihenfolge bringen. Die Lerner*innen versuchen, das Lied zu rekonstruieren. Anschließend hören wir es gemeinsam und sie überprüfen die Reihenfolge. Das ist weniger Stress beim Zuhören und beim Mitlesen und Überprüfen werden dennoch mehrere Sinne angesprochen.

14. Heimliches Feedback

Im Büro haben wir uns früher öfter mal Klebezettel an die Bildschirme geklebt mit ermutigenden Nachrichten. Ich fand das immer wieder schön, von den Kolleg*innen zu lesen und habe mich immer wieder gefreut. Einfach so, zwischendurch, eine liebe analoge Nachricht oder auch die Erinnerung an ein Meeting oder eine Aufgabe zu bekommen. Handgeschrieben. Mit einer sehr persönlichen Note.

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15. Klebe-QR-Code

Weiterführende Informationen auf analog eingereichten Hausübungen oder auch mündliches Feedback auf analog eingereichte Hausübung verstecke ich gerne hinter QR-Codes, die ich über Klebezettel auf die Hausübungen klebe. QR-Codes sind immer irgendwie spannend und machen neugierig, was sich dahinter wohl verstecken könnte. Früher habe ich dafür wirklich Sticker verwendet und bedruckt, QR-Codes sind hier deutlich günstiger.

Der eigenen Phantasie bei Einsatz von Klebezetteln sind keine Grenzen gesetzt. Wer nicht mit echten Zetteln arbeiten will (z.B. aus Nachhaltigkeitsgründen), kann auch digitale Klebezettel verwenden oder auch wiederbeschreibbare Klebezettel. Die Frage ist immer, was ich erreichen will und wohin mich der Weg führen soll. Ich brauche das analoge Gefühl manchmal. Ich zerknülle die erledigten Aufgabenzettelchen gerne. Das befreit mich und tut mir gut. Andere haben vielleicht andere Zugänge. 😉

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